Letzter langer Schlag auf dem Atlantik: Überfahrt Azoren - Europäisches Festland

Das Süße ist nie so süß ohne das Saure.

Obwohl dieser letzte, längere Schlag auf dem Atlantik mit rund 850sm einer der „Kürzeren“ ist, haben wir großen Respekt davor. Nicht nur Wind und Welle können auf diesem Abschnitt noch einmal extrem werden, auch die Orcas entlang der portugiesischen und spanischen Küste Küste, sowie in der Straße von Gibraltar, führen bereits vor der Abfahrt zu einem mulmigen Bauchgefühl.
Wir stehen in täglichem Austausch mit dem Portugiesen Rui von orca.pt, der die Zugbahnen der Orcas, Sichtungen und Angriffe auf Boote beobachtet und Empfehlungen zu den aktuell günstigsten Routen gibt.
Daher verwerfen wir auch unseren ursprünglichen Plan nach Marokko zu fahren, sondern werden direkt Kurs auf die portugiesische Küste nehmen, um dann in Küstennähe möglichst zügig zur Straße von Gibraltar zu gelangen und diese hinein ins Mittelmeer zu passieren.

Tag 1 (Portugal/Festland, 16.6.24)

Das Wetter sieht günstig aus, Dirk fühlt sich besser nach drei Tagen Fieberinfekt und nur Hannes hat leichte erhöhte Temperatur bekommen. Daher beschließen wir loszufahren.
Sobald wir den Windschatten von São Miguel verlassen, haben wir wunderbaren, leicht achterlichen Wind mit akzeptabler 1,5m-Welle.
Bereits bis zum Abend hat es jedoch auch Emilia und mich mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen erwischt, Hannes und Dirks Fieber steigt ebenfalls wieder und Luise gesellt sich in der Nacht zu uns. Super Start…
Etmal: 52sm

Tag 2 (Portugal/Festland, 17.6.24)

Die Nacht verläuft chaotisch, alle hängen erschlagen in einer Ecke rum und können nicht richtig schlafen, der Infekt leistet ganze Arbeit, alle husten reihum, vereinzelt kam noch Übelkeit hinzu. Wache hält, wem es gerade möglich ist, wechseln manchmal stündlich, pflegen uns gegenseitig so gut es geht.
Der Wind und Welle sind inzwischen, wie angesagt, angestiegen und haben auf die Seite gedreht. Die Schräglage nimmt zu und wir schaukeln ordentlich von rechts nach links. Selten hat uns ein Gedanke so geeint: der Wunsch nach einem ruhigen Bett zum Auskurieren.
Einziger Lichtblick: wir machen gut Strecke.
Etmal 159sm

Tag 3 (Portugal/Festland, 18.6.24)

Auch diese Nacht ist anstrengend. Mit 22-28kn Wind und inzwischen gut 3m Welle sausen wir mit gerefftem Großsegel und gereffter Genua über die Wellenberge und kommen Seemeile um Seemeile voran, auch wenn sich diese gefühlt wie Kaugummi in die Länge ziehen. Unser Deck und Cockpit werden regelmäßig von den seitlich einfallenden Wellen geflutet.
Hannes geht es wieder gut, Lena und Luise deutlich besser. Bei Emilia und Dirk geht es nur langsam voran, aber zumindest das Fieber ist inzwischen bis zum Abend bei allen gesunken.
Etmal: 159sm

Tag 4 (Portugal/Festland, 19.6.24)

Der Wind bleibt bei 20-25kn. Wir haben uns an die permanente Schräglage, die regelmäßigen Wellenduschs, das Ächzen des Bootes und die Schläge durch den harten Zusammenprall des Bootes mit Wellen gewöhnt, die Salzkruste wächst von Stunde zu Stunde.
Langsam kehrt Leben zurück in unsere müden Knochen, es geht bergauf, wenn auch langsam und teils mit immer wiederkehrenden Rückschlägen.
Wind und Welle sollen in den nächsten Tagen etwas nachlassen.
Über die Hälfte der Strecke ist geschafft! 🙂
Etmal: 138sm

Tag 5 (Portugal/Festland, 20.6.24)

Wind, Welle und Schräglage lassen weiter nach, wir versuchen uns nach wie vor so viel möglich auszuruhen, machen langsam, in kleinen Schritten geht es allen wieder besser, die Sonne scheint und es wird ein sehr schöner Segeltag.
Wir nehmen etwas Fahrt raus, um Samstagmorgen im Hellen die kritische Orca-Zone queren zu können.
Etmal: 138sm

Tag 6 (Portugal/Festland, 21.6.24)

Der Tag verläuft ereignislos. Die Sonne scheint und der Wind bleibt auf Nord zwischen 15-22kn, ab Nachmittag steigt er an auf 25-32kn und hält die ganze Nacht. Wir haben Groß und Genua maximal gerefft und fahren trotzdem 6kn. Wir gehen alle früh schlafen, morgen früh wird es nochmal spannend…
Etmal: 122sm

Tag 7 (Portugal/Festland, 22.6.24)

Die Nacht war recht schlaf-arm, viel Wind, wieder deutlich mehr Welle. Wir nähern uns der portugiesischen Küste, gegen 02:00 Uhr kreuzen wir das 30sm-breite Verkehrstrennungsgebiet, um 08:00 Uhr sind wir durch.
Gegen 05:30 Uhr geht ein DSC-Notruf eines dt. Schiffes in Seenot ein, knapp 200sm entfernt, mitten in der Straße von Gibraltar, weitergeleitet von einem anderen Schiff. Die Stimmung ist gedrückt. Wie wir ein paar Stunden später erfahren, war es wieder ein Orca-Angriff, wie es ausgegangen ist, wissen wir allerdings nicht.
Jetzt heißt es noch aufmerksamer fahren. Wir werfen zusätzlich den Motor an und den Pinger zur Orca-Abschreckung raus und ziehen ihn hinter uns her – vielleicht hilft es.
Wir fahren, halten Ausschau und bangen, dass wir nichts erspähen.

Und dann ist es endlich geschafft, der europäische Kontinent hat uns wieder! Ohne Orca-Begegnung.
Am Mittag fahren wir in den portugiesischen Hafen von Lagos ein und lassen alle Anspannung abfallen. Vorerst zumindest…
Etmal: 63sm

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Sabine Stegen

    Hallo ihr Lieben 🫶 Es freut mich sehr dass es euch wieder besser geht 😘 Super, dass alles gut geklappt hat!! Super geschrieben👌📝 Viel Spaß weiterhin, vor reichlich 1 Jahr war ich in Lago… Meine Tochter/Enkel besuchen 😘 Lieben Gruß Sabine 🫶

  2. Stephan

    Herzlichen Glückwunsch zur erfolgreichen Überquerung-wir freuen uns sehr für euch!
    In einer Woche sind wir in Mallorca, gebt mal ein bisschen Gas, dann trinken wir dort einen gemeinsam! 😎😘🤘🏻

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